Karl Pobitzer (Verfolgung)

Jg. 1918, Dableiber

Die Dableiber sind dann [im September 1943] halt auch einberufen worden, wie alle anderen. Je nachdem: [Das] hing viel vom Ortsobmann [Ortsgruppenleiter] – von den Nazis, die im Ort das Sagen gehabt haben –, ab, wie man die Dableiber behandelt. Das war sehr persönlich. In manchen Orten waren sie sehr freundlich, in manchen Orten waren sie schon ein bisschen … gegen[über] den Dableibern nicht gerade korrekt. Aber [es hat] wenige, Ortschaften gegeben, das muss man auch wieder zugeben …[…] Gut, wenn, wenn die Nazi[s] jemanden in das Ding [KZ] geschickt haben … Meinen Vater haben sie auch zwei Tage eingesp[errt],… eingezogen, aber dann haben sie ihn heimgeschickt, weil den brauchten sie, um den Loden. Und: So viel Propaganda hatte der nicht gemacht, er hat halt gesagt: ‚Ich bin nicht einverstanden!‘ Er hat gesagt: ‚Ich kann den Hitler nicht leiden, weil er seine Generäle erschossen hat! Und ein Mann, der die Generäle selber erschießt – erschießen lässt, ist kein Führer!‘ Dieses Argument hat er immer gegen Hitler gehabt … Und dann haben sie gesagt, [wer] hinaus wählt, bekommt – ja, jeder Sohn – bekommt einen Hof! Dann hat der Vater gesagt: ‚Ich habe in ganz Deutschland nie einen leeren Hof gesehen!‘ Weil mein Vater ist sehr viel herumgekommen und hatte auch viele Freunde in Deutschland und hauptsächlich in der Gegend, in Vorarlberg hatte er viele Freunde.

[Wann wurde Ihr Vater eingesperrt?] Jaja, ’43 ist er acht Tage eingesperrt worden. Das waren aber die Verwandten selber, die gesagt haben: ‚Den ‚Farber‘ – meinen Vater – ‚müssen sie ein[sperren]‘. So acht Tage war er eingesperrt, ‚damit er den Mund hält!‘, weil er war ein sehr kritischer Mann! Und hat zu jedem Ding auch Stellung bezogen. Obwohl … in unserer Verwandtschaft, dort waren alle vertreten! Auch die führenden Nazi[s] waren aus unserer Verwandtschaft, in Mals: Der ‚Garber Peppi‘, war in Mals ein Begriff, der hat auch großen Einfluss in Mals gehabt. Und dann haben sie meinen Vater einmal zum Bürgermeister machen wollen, dann hat er [gesagt]: ‚Nein, das mache ich euch nicht, weil dann kann ich überhaupt nichts mehr sagen!‘ … ‚Dort macht ihr mir den Mund zu! Wenn ich Bürgermeister werde, kann ich nicht das sagen, was ich will!‘

[War die Verhaftung unmittelbar in der Nacht des deutschen Einmarsches?] Nein, ein paar Tage danach. Zuerst, als die Deutsche einmarschiert sind, da haben die anderen müssen einmal jubeln und danach hätten sie … Aber ich habe das nur erzählen gehört, weil ich war da schon in Süditalien … […] Den Vater haben sie zweimal wollen holen, aber die Leute sind nicht hingegangen. Weil er hatte großes Ansehen, [er] hat den Leuten ja immer viel geholfen … Die Leute, die meisten Leute, haben immer gesagt: ‚Der ‚Farber‘ hat uns immer geholfen, wenn wir etwas gebraucht haben!‘ … Jaja. Aber … dass sie ihn eingesperrt haben, diese acht Tage, das hat ihm den Lebensnerv gekostet! Er hat immer gemeint, dass er Gutes getan hat, aber da hat er erfahren, dass das auch nichts hilft! Aber deshalb hat er [den Leuten] gleich weitergeholfen, wo er konnte, wenn sie etwas gebraucht haben – bis ins hohe Alter.

[Sind aus Schleis auch arme, kranke oder behinderte Person weggekommen?] Soviel ich weiß, sind glaube ich nur zwei [weggekommen] und die waren schon … weggeführt worden. Nur zwei Personen, die waren schon ziemlich krank. Und warum sie weggeführt wurden? Man hat gesagt, sie bringen sie nach Innsbruck zur Heilung. Aber die sind dann in Innsbruck gestorben …