Jg. 1911, Optantin, nicht ausgewandert
Wir sind zu Hause deutsch eingestellt gewesen, wir haben die Faschisten nicht gemocht! … Die Faschisten sind auch erst später gekommen – ’26? oder ’23. Dann ist es uns schlecht gegangen. Die sind nach Bozen gekommen und haben Güter enteignet, haben Häuser hingebaut und geschaut, dass viele Italiener heraufkommen. Die haben in Bozen heroben dann auch eine Arbeit bekommen, die haben eine Fabrik oder was gehabt. Dafür haben sie schon gesorgt, dass die Italiener Arbeit haben. Wir sollten halt schneller Italiener werden, aber sie haben es nicht geschafft. Zum Glück! Zum Glück! Aber die Leute sind arm dran gewesen, wenn alles enteignet worden ist! … Auch in Schlanders unten war das so: Ein Verwandter von mir, der hat eine wunderschöne [Obst]anlage gehabt. Er hätte zum Leben gehabt damit. Es wurde enteignet und eine Kaserne wurde hineingebaut! Eine Kleinigkeit haben sie ihm dafür gegeben, dann ist er arm gewesen! Das ist unter den Faschisten allen so gegangen. Vor den Faschisten ist der König gewesen […] und der ist gnädiger gewesen. Der ist nicht so wie die Faschisten gewesen. […] Aber erst durch die Faschisten ist es ganz schlecht geworden, weil sie haben Südtirol einfach ‚verwalschen‘, ganz plötzlich ‚verwalschen‘ wollen! Ganz! In einer kurzen Zeit! Tolomei! Aber, sie haben es nicht geschafft. Aber was die Leute mitgemacht haben!
Dann ist alles verboten worden. Es ist keine Unterhaltung gewesen. Wenn die Leute einmal im Jahr eine Christbaumfeier machen wollten, damit da getanzt worden wäre, mussten sie ansuchen, damit es erlaubt wird. Das ist nur einmal gewesen. Kein ‚Theaterli‘ [Theater], nichts! In Eyrs drüben ist in einem Stadel ein Theater gewesen. Wir haben Fahrräder damals gehabt und sind halt auch hinübergefahren. Das hat alles müssen heimlich vonstatten gehen, weil alles verboten gewesen ist! Ich kann mich gut erinnern: Zum Schluss als das ‚Theaterli‘ [Theaterstück] – es ist ein wundernettes ‚Theaterli‘ gewesen –fertig gewesen ist, dann haben sie gesungen, weil die Eyrser haben auch schön singen gekonnt: ‚Ach, ich muss dich nun verlassen, du mein teures Südtirol!‘ Da ist schon die Option gewesen! Und da haben sie ein ganzes ‚Liadl‘ [Liedchen] gesungen. […] Die ‚Zachern‘, die Tränen sind uns heruntergeronnen! … Wir müssen halt von der Heimat gehen – das ist auch hart gewesen! So schlecht es uns unter den Faschisten auch ergangen ist, … aber was hätten wir machen sollen? Es ist ja alles verboten gewesen! Gar alles! Sie wissen schon: Weiße Strümpfe hat man keine haben dürfen und kein ‚Theaterli‘! Kein ‚Theaterli‘, keine Unterhaltung! Wir sind auf ‚Ober Laretz‘, weil das sind Verwandte gewesen, das ist ein bisschen vom Dorf weg gewesen, hinauf gegangen, um zu tanzen öfter einmal. Der Bruder mit dem ‚Ziehörgelchen‘ und dann haben wir halt oben getanzt, ein bisschen … Das hat alles heimlich müssen sein! Es ist alles verboten gewesen, leider!
[…] Der Mann hat auf der Gemeinde gearbeitet, da ist ein italienischer Podestà gewesen. Da hat’s geheißen, wenn sie die Namen nicht italienisch ‚richten‘ [italianisieren], werden sie entlassen. Zum Beispiel ist einer gewesen, der hat Muther geheißen, den haben sie dann ‚Muteri‘ geheißen. ‚Muteri‘, dann ist es gegangen, hat er schon einen walschen Namen gehabt. Mein Mann hat sich den Namen Stimpfl ‚verwalschen‘nicht lassen! Die haben sie sonst alle entlassen. Aber er hat das Militär gemacht, ist Offizier gewesen in Italien unten. Er hat gut Italienisch können. Der Podestà hat ihn gebraucht, notwendig! Weil der Podestà hat ja nicht Deutsch können und hat’s mit deutschen Leuten zu tun gehabt. Er ist froh gewesen, dass er einen gehabt hat, der Italienisch kann, weil damals haben die Leute ja nicht Italienisch gekonnt. Dann ist mein Mann nicht entlassen worden. Der hat Glück gehabt! Ich weiß nicht, wie sie ihn hätten umgetauft: ‚Stimpfli‘? Oder wie? Ich weiß nicht, wie sie ihm den Namen ‚verwalscht‘ hätten. Er hat es draufankommen lassen, er hätte können die Stelle verlieren!
[…] In Laas [beinahe 100 % Deutschland-Optanten, höchstes Wahlergebnis für Deutschland in Südtirol] haben fast alle für Deutschland gestimmt. Das zum lieben Glück! Da ist dann so eine Einigkeit gewesen: Wir gehen! Und eben, man hat damit gerechnet, draußen sind wir alle wieder beieinander. Jaja, [wir] würden schon drangekommen sein! Wir haben zu viel mitgemacht! Weil nach Laas sind so viele Italiener gekommen, wegen des Marmors! Es ist auch allerhand vorgekommen. Wir wollten einfach weg von ihnen! Wir sind ihrer so ‚stuff‘ [überdrüssig] gewesen! Das war die Schuld [der Grund]!
[Zu Ostern 1938] hat ein Bub mit einem italienischen Buben etwas zu raufen gehabt. Mein Bruder ist ins Dorf rübergegangen und sieht das. Das ist sein Freund gewesen und er hat ihm helfen wollen oder sie auseinander[tun]. Dann sind die Carabinieri gekommen. Mein Bruder ist dann heimgekommen und hat gesagt: ‚Es werden wahrscheinlich die Carabinieri kommen!‘ ‚Ja, wieso?‘ Er hat erzählt, dass er dem Freund helfen wollte, sie auseinander[tun]. Freilich sind die Carabinieri gekommen und haben ihn geholt! Eingesperrt! In die ‚schworze Kuch‘ [schwarze Küche] hat man’s geheißen (lacht). Über Nacht eingesperrt. … Damals ist dann alles drunter und drüber gegangen. Dann sind von einem anderen Ort her noch Faschisten gekommen, und die haben die Leute [verprügelt]. Meine Schwester ist beim ‚Hirschen‘, ‚Hirschenwirt‘ Köchin gewesen, sie hat gesagt: ‚Mit den Lederriemen sind die Faschisten gekommen und haben die Leute verprügelt.‘ Sie hat es selber gesehen! Und aus den Betten haben sie sie herausgerissen, verheiratete Leute! Und eingesperrt! Mein Bruder ist dann auch in Schlanders unten eingesperrt gewesen und ein paar gute Familienväter. Die, viele haben sie einfach eingesperrt. Dann haben die einen Prozess gekriegt. Und mein Bruder ist dann nur davongekommen, weil nicht volljährig war. Er hat keinen Prozess gekriegt. Aber er ist eine Weile eingesperrt gewesen.
Jaja, das ist das Hauptding gewesen! Weil Leute, gute Familienväter, die den Italienern nie nichts getan haben, haben sie so schlecht behandelt! Eingesperrt! Prozess gekriegt! … Eben, und deswegen haben die Leute weg wollen! Ja, von den Faschisten weg! Das wird die Schuld gewesen sein.