Charlotte Müller, geb. Thaler (Heimatfront)

Jg. 1933, Rücksiedlerin

Dann waren da die Bombenangriffe und wir sind aufs Land zu meinem Onkel in Obsteig, das ist draußen in Österreich. Da sind bei den Angriffen die Fallschirme runter und wie ich mit der Magd vom Hof meines Großonkels in die Schule rübergegangen bin, haben wir immer im Wald drinnen schreien hören: ‚Help, help!‘ Ich hab Angst gehabt, aber diese Magd war zwei, drei Jahre älter als ich, und die hat dann gesagt: ‚Brauchst keine Angst haben! Die tun uns nichts, da gehen wir jetzt schauen!‘ Aber sie hat sich durchgesetzt und ich habe mich hinter ihr versteckt. Das war dann ein ganz junger Mensch. Den sehe ich heute noch vor mir. Was wird er denn gewesen sein? 20 Jahre, mehr nicht. Der hat dann zur Magd gesagt, ‚Bitte!‘, hat so gedeutet und dass man ihm hilft. Er hat den Fuß gebrochen gehabt. Wir sind rübergegangen ins Dorf und haben das gemeldet. Dann haben sie ihn geholt, und da haben sie ihn – das muss ich schon sagen –, sehr brutal behandelt. Das habe ich auch nie vergessen, weil er konnte ja nicht einmal gehen. Einer war auch so ein Fanatischer S… – wie haben sie geheißen? NSDAP? Die, die mit den Khaki-Uniformen da herumgegangen sind. Der hat gesagt: ‚Den lasst nur laufen, der soll nur selber gehen!‘, und so brutal haben sie ihn behandelt. Einer ist zu ihm hin. Er hat ein Kettchen um den Hals gehabt und hat gesagt, das ist von seiner ‚mother‘, er möchte es behalten. Dann hat der Eine da gesagt: ‚Ja! Wohl!‘ Und bratsch, hat es ihm weggenommen! Er hat dann geweint, logisch. Das konnte ich nie vergessen, weil mir der Mensch so leidgetan hat. Er hat auch noch eine Uhr gehabt am Arm und die hat er dann diesem Mädchen, der Magd, zugesteckt als Dank!

Dann nochmal in Obsteig, wie das Ende vom Krieg war, da waren da im Wald Lastwagen mit der SS und so alles. Die haben dann das so alles stehen lassen. Da ist dann geplündert worden. Jeder ist gerannt, um da möglichst viel zu holen, von den Schreibmaschinen angefangen. Es gab auch Mehl und Reis und sonst noch Lebensmittel. Eben unter anderem habe ich eine Schreibmaschine mitgenommen, aber die hat mir dann ein junger Mann aus der Hand gerissen. Ich habe mich mehr auf die Lebensmittel konzentriert und habe die heimgebracht zum Onkel. Wohl, die SS waren auch noch da. Die waren eigentlich ganz nett, muss ich sagen, nachdem die ja sehr verschrien waren. Aber es waren auch lauter so junge Leute. Mit denen hat man dann eben das besprochen, dass jetzt der Krieg aus ist.