Jg. 1934, Rücksiedler
Und wie da die Politik damals war, hat man uns in der Tschechei – Tschechoslowakei einen Bauernhof angeboten – und da – sind wir hingekommen, das ist die Situation wie in vielen Orten heute in Deu- in auf der ganzen Welt noch ist. – Die Tschechen – wir sind zwei Jahre in St. Pölten gewesen, bin ich erste und zweite Schulklasse gegangen draußen. – Dann sind wir übersiedelt nach – Neu, Nový Jičín [deutsch: Neu Titschein] heißt das auf Tschechisch – da hat man so – der deutsche Staat oder die was uns hinaus geholt haben – da haben die Tschechen, die haben gemüsst vom Hof gehen, gell? Die haben den eigenen Hof haben sie müssen verlassen, dass sie nur was sie konnten mittragen und wir Südtiroler, wir sind hinausgeschickt worden um das zu verdeutschen, das Tschechien. Wir sind nur, in Ehrenberg heißt das Dorf, wo wir gewesen sind, Nový Jičín war so eine kleine Stadt, vielleicht wie Brixen. Da bin ich ja dann in die Schule gegangen auch und die Tschechen haben müssen gehen und wir sind da hineingehockt, ja wir sind gewesen – wie Gott in Frankreich, nicht? Wir haben Kühe gehabt, und Rösser und…
Das war alles da, weil der Tscheche hat gemüsst gehen, nicht?
Ja (stottern) – vertrieben worden, logisch hat man das gewusst! Aber der Gauleiter – mein Vater hat dann den Gauleiter noch gebeten – Gauleiter wird gewesen sein wie heute zum Beispiel der Bürgermeister oder sowas, nicht? Und der hat den gebeten, ob der die (stottern) Magd und den (stottern) Knecht auf dem Hof lassen bei uns, zum uns Helfen. Weil wir haben ja – draußen ist ein bisschen ein anderes System eine Bauernschaft zu führen. – Ich kann mich noch erinnern, wie sie erzählt haben, wir haben im Pflug vielleicht zwa- vierzig Zentimeter und draußen, weniger nicht, nur so Beispiel, nicht? Und die sind bei uns geblieben, bis wir wieder dann zurück gewandert sind. Ja und dann – draußen, wir, wie gesagt, wir haben zum Essen gehabt, wir haben Hühner gehabt und Schweine und alles dort. Von der Hungersnot haben wir nichts gespürt draußen. […]
Ich erinnere mich von der Tschechei, das schon. Weil da hat man so auch ähm tragische Sachen erlebt, nicht, dass ich nicht fast ersoffen wäre und einmal verbrennt wäre, da und dann – und da war der Knecht und die Magd da und – nein, nein.
[Und Knecht und Magd waren ja von den alten Besitzern?]
Von den alten Besitzern, und die sind geblieben bis zum Schluss.
[Wie seid ihr mit denen ausgekommen?]
Ja, wie halt schon mein Bruder schreibt auch da, ich hab das nicht so mitgekriegt, und mein Bruder schreibt da, dass halt die Gauleiter, die haben gesagt, wir sollten halt mit den Leuten streng sein und halt sie so behandeln, dass wie wenn sie zweite Kategorie Menschen wären, nicht? Aber wir sind – in unserer Familie hat das gleich einmal anders gemacht, wir haben gleich einmal nach vier, fünf Tagen alle zusammen auf dem gleichen Tisch gegessen. Weil wir haben ja auch – wir haben ja noch mehr sie gebraucht, als wie sie uns, nicht? (?) Arbeit. Weil mein Vater war schon ein bisschen von einem Bauernhof aufgewachsen – aber (stottern) nicht so direkt, also am Bauernhof, weil mein Vater war ja Weber. […]
Wir haben daheim, in meinem Daheim, hat er immer zwei Kühe gehabt, in dem Haus und mehr ist nicht gewesen. Ein bisschen etwas hat er schon gewusst von der Bauernschaft, aber nicht so viel, draußen den Hof da so schön wieder zu bearbeiten, den uns die Tschechen haben abtreten müssen, nicht? Und zum Glück, und von den Tschechen, von den Besitzern, der Sohn war auch schon bei den 20, 25 [Jahre alt], der ist gekommen oft einmal uns besuchen. Und hat uns eigentlich ähm (stottern), wenn man bedenkt er hat uns nicht gehasst, der hat das schon verstanden, dass das die Politik, die Alten sind nie gekommen, die haben das nicht vertragen. Das ist genau, wenn jetzt da die Italiener gekommen sind und du musst gehen vom Hof. Es ist ja so im Leben, es ist brutal, nicht?
[Wie war das, wenn der junge Mann gekommen ist?]
Ja der ist immer gekommen schauen, nicht, ob das auch – Und hat mit uns dann geredet und anscheinend hat er den Knecht – ich vermute halt, nicht, er wird schon mit dem Knecht und mit dem Mädchen mehr geredet haben, ob, wie das so weiter geht, nicht? Und dann werden die schon gespannt haben nach ein paar Jahren, wenn der (stottern) Krieg immer rückwärts gegangen ist, von Russland her, von Polen. –
[Aber weiß man, wo die Leute hin sind?]
Ja, die haben eine Wohnung irgendwo, nicht? Die haben müssen irgendwo in eine Wohnung ziehen und zuschauen, wie wir auf dem Hof arbeiten. Ja das ist (stottern), nicht? Vielleicht sind wir froh, dass wir früh genug weg sind gekommen, vielleicht würden wir gar nicht mehr leben. Das staut sich über – das ist ja so, da staut sich ein Hass auf, nicht? – Die, wir haben, wir haben, wenn du dir so denkst, nicht? Ich kann das heute nicht erklären, nicht? Wenn man so denkt heute, müsste man auch ein bisschen voraus denken, dass es so ist. Aber die Politik ist ähm so gewesen, nicht?
Eine deutsche Schule, ja. Wir haben müssen nach Neu Titschein hinein in die Schule gehen. Weil in Ehrenberg, ob es auf Tschechisch Ehrenberg heißt oder anders, das weiß ich nicht, da sind nur – waren nur unsere sechs oder fünf Südtiroler Familien. Eine Familie noch, die war in, von Pfunders, Oberhofer kann ich mich erinnern, Oberhofer, und die haben es nicht so gut mit den Leuten gekonnt wie wir. Es hat halt mein Vater und meine Mutter erzählt, die haben’s, die haben sie, die haben ein bisschen Schwierigkeiten gehabt, mit den Einheimischen, nicht? Wir haben es, ja ja, schon gegangen.
[Und hat es dann da auch Sprachbarrieren gegeben?]
Im Dorf, ja sicher!
[Ja, wie hat man sich da verständigt?]
Das was notwendig war – die (stottern) wir haben die – der Knecht und die Magd, die waren ja, haben ein bisschen Deutsch gekonnt oder haben es gelernt. Ich hab auch ein bisschen Tschechisch, aber das habe ich heute alles verlernt. Nicht, Dobredan oder das Bisschen, was man halt – oder Guten Morgen, Dobredac (lacht), ja. Mehr, wenn man nicht, wenn man es nicht braucht, dann vergisst man es, nicht? Nicht, das ist zum Zählen, jaja. Ja und wir sind – deswegen wir haben müssen in Neu Titschein in die Schule gehen, das ist ein so, zwei, drei Kilometer, da war, das war ziemlich deutsch mein ich schon. Und da sind wir deutsche Schule gegangen. – Ja.