Franz Trebo (Ladiner_innen)

Jg. 1926, Optant

Und eins – ich war der einzige Enneberger, also immer schon ein bisschen auf der schwächeren Seite, dem man sozusagen [die Möglichkeit] gegeben hat, nach Savona auf Erholung zu fahren. Das war 1936. Ich war der einzige Enneberger, also ich hab schon die ersten paar Tage Heimweh gehabt. Waren lauter fremde Kinder, aber – es ist auch vorbeigegangen (lächelt). […]

Das war irgendwie von den Faschisten aus. Es sind von ganz Südtirol Kinder zusammengekommen, allerdings, die meisten waren Italiener. Und in Savona haben wir Aufsichtspersonen gehabt, Männer, und da hat es geheißen, nicht Dialekt reden. Und eines Tages sagt zu mir ein Bub, ich soll einmal – weil er irgendetwas gehört hat vom Ladinischen – ich soll ein paar Worte ladinisch reden. Dann hab ich ein paar Wörter gesagt, dann ist er gegangen und hat mich bei der Aufsichtsperson verklagt, und der ist gekommen und hat mir eine geschmiert (lächelt).

Ja, und dann hat – ich war dann bei der Großmutter Ziegen hüten, bei einem Bauern Schafe hüten und so – halt die Zeit umgebracht bis zur Auswanderung. […]

Sieben Jahre italienische Schule und, muss ich auch sagen, drei Jahre noch anschließend deutsche Schule, Volksschule.

[Wie haben Sie denn zu Hause gesprochen?]

Ladinisch.

[Und wie war die italienische Schule für Sie?]

Also – ich persönlich hab sie nicht unangenehm empfunden. So, wir haben natürlich lauter italienische Lehrer gehabt, Lehrerinnen. Und ich hab mich da eigentlich nicht schwergetan.

[Und in der deutschen Schule?]

Wir haben dann, ich glaub zwei Monate bevor wir ausgewandert sind, das war Mai ’40, haben uns zwei Einheimische Deutschunterricht gegeben. Und dann sind wir ausgewandert, zuerst eine Woche in Innsbruck und dann nach Ludwigshafen am Rhein, hat man uns rausgeschickt. Was irgendwie – muss was daneben gegangen sein (gestikuliert) bei der Organisation. Weil da sind keine Südtiroler rausgekommen, nach Ludwigshafen am Rhein. Und da hat natürlich, das war Mai, da hab ich dann müssen Schule gehen. War ein alter Schullehrer, der hat halt einen anderen Schulkameraden beauftragt, dass er mich ein bisschen betreuen soll.

Und dann haben wir eine Wohnung gekriegt, in der Vorstadt von Ludwigshafen. Und da – natürlich wieder angemeldet, waren sehr nette Schüler, sehr nette Lehrer. Dann hat man (?) – hat der Vater einen Brief gekriegt von Innsbruck, wir sollen zurückkommen nach Innsbruck. Wir haben noch nichtmal alles ausgepackt gehabt und zuerst eine Freude gehabt, eine Wohnung mit einem Garten. […]

Eine Woche nachdem wir draußen waren, war das erste Mal Fliegeralarm. Und der Wirt – das muss ich auch dazu sagen, die waren draußen nicht vorbereitet, dann hats eben NSV, das war Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, also – Sozialfürsorgeamt. und dann waren die Frauen da, jede hat ein paar von acht Kinder genommen, zu sich heim zu übernachten. Mittlerweile haben sie in einem Hotel Rheinischer Hof mitten in der Stadt drei Zimmer organisiert und da sind wir dann fünf Monate gewesen. und in den fünf Monaten haben wir dann selten eine Nacht durchschlafen können. Fast jede Nacht Fliegeralarm. Und dann in Gartenstadt, dem Vorort von Ludwigshafen, da war die Fliegerabwehr, Flak genannt, muss die in nächster Nähe gewesen sein, in den Wäldern, weil wenn die geschossen haben, haben Fenster und Türen gewackelt.

Und da hat mein jüngster Bruder, der war dazumal 11 Monate, der hat da das erste Mal Angst gekriegt, ja, wie da die Kracherei war.

Ja, dann sind wir zurück nach Innsbruck, und von Innsbruck hat man uns nach Vorarlberg geschickt, nach Alberschwende, und da waren wir dann acht Monate in dem Gasthof in Alberschwende. Bis wir dann in – da haben wir, da sind wir natürlich wieder Schule gegangen. Natürlich da mit 15 Jahren in der ersten Klasse Volksschule (lacht), es ist nicht anders gegangen.

Und dann – äh – in der Südtiroler Siedlung in Bregenz, das heißt, das sind zwei Siedlungen gebaut worden für die Südtiroler in der Achgasse. Wieder Schule, da war ein gewisser Hermann Wolf Schulleiter – also da waren wir mindestens ein Drittel der Schüler waren Südtiroler. Es hat ein bisschen Schwierigkeiten gegeben mit den Einheimischen, aber unser Turnlehrer, der hat dann den Bregenzer Schülern so die Meinung gesagt, dann wars gut. So hab ich halt dann eigentlich so, wie soll man sagen, recht und schlecht deutsch gelernt. Für irgendwie eine höhere Schule wars viel zu wenig.

Aber ich hab dann angefangen lesen, und mit dem Lesen hab ich dann doch ziemlich viel gelernt. […]

Von Bregenz nach Innsbruck. Das war so: Die Mutter hat im Winter immer Asthma gekriegt. Es ist in Bregenz feucht, neblig – den Winter durch. Und dann hat der Vater gesagt, nach Südtirol zurück hat er sich nicht drüber getraut, war damals ein bisschen schwierige Zeit. Aber nach Tirol. Und da haben wir in der Tiroler Tageszeitung eine Annonce aufgegeben wegen Wohnung tauschen. Und dann haben sich – das waren eigentlich drei Frauen, die Mutter und zwei Töchter, die wollten nach Vorarlberg, weil eine der Töchter hat in der Schweiz gearbeitet, die hätt‘ gerne näher heim gehabt. Und die haben dann mit uns getauscht. Das war dann, wir waren auch in der Hungerburg. Die haben auf der Hungerburg gewohnt, ja.

[Können Sie etwas über die Zeit vor der Option in Enneberg erzählen?]

Ja – sagen wir so, wie ich es gelesen und gehört hab, wie es in manchen Orten in Südtirol zugegangen ist, das war in Enneberg eigentlich nicht. Es war natürlich schon ein bisschen pro, contra, nicht dass sie – sagen wir – ekelhaft zueinander geworden wären. Das sind sie nicht. Nur – wenn sie zum Beispiel, Enneberger, Bruneck ist ja die Bezirkshauptstadt, wenn Enneberger da in Bruneck waren und ein paar Gläser getrunken haben, dann sind sie halt ein bisschen laut geworden und halt – äh – da sozusagen Hitler-äh-stimmig. Und ‚Heil Hitler‘ geschrien. Dann haben sie die Italiener sofort genommen und nach Innsbruck rausgebracht. Sofort auf der Stelle und nach Innsbruck gebracht. […]

Ja, so zwei drei. Aber sonst – tät ich sagen, wars nicht so schlimm bei uns. – Gut, die Bauern, muss man begreifen, die Bauern, die verlassen nicht gern Hab und Gut. Und die nichts gehabt haben, die haben halt gesehen – war die ganze Hoffnung eben auf der Arbeit in Deutschland, wie es damals war.