Hilde Gartner (Hotel Victoria)

Jg. 1924, Optantin

Ich meine, wenn ein Volk irgendwo hinkommt, wo sowieso das andere Volk schon lebt… Die Nordtiroler haben ja auch keine besondere Freude gehabt über den Zuzug der Südtiroler, das sind wir einmal ganz ehrlich. Die Südtiroler sind vom Staat zuerst bevorzugt worden, also mit Kleiderkarten und verschiedenem anderen, also mit Wohnungen usw., was natürlich auch zu Missstimmungen geführt hat bei den Einheimischen da. Wir sind am 17. September 1940 ausgewandert und am Tag nach dem wir angekommen sind – höchstwahrscheinlich aus Gesundheitsgründen, aus Hygienegründen – waren die Deutschen natürlich daran interessiert, dass sofort Lungenuntersuchungen durchgeführt werden. Sie waren sicher nicht überzeugt, dass die Südtiroler von drinnen weiß der Herrgott wie viele ärztliche Untersuchungen hinter sich haben. Was ich eigentlich verstehe – nicht aber die Art, wie diese Untersuchungen gemacht wurden. Da haben sich die Frauen ausziehen müssen und da waren Kinder und alles dabei, das hat den Großteil natürlich sehr gestört. Das System ist man einfach nicht gewöhnt gewesen. Wir waren in Innsbruck eine Woche im „Schwarzen Adler“ untergebracht. Mein Vater hat von Haus aus eine Beamtenstelle in Vorarlberg ‚offen gehabt‘. Wie er dann nach Innsbruck gekommen ist, hat man ihm auch Stellen in Tirol angeboten. Da hat er dann sofort, weil ihm war Tirol natürlich sowieso lieber, eine Stelle beim Landratsamt in Schwaz angenommen. Da war er dann also auch später unter Österreich bis zu seinem Tod.

Wir haben von Südtirol keine Möbel mitgenommen gehabt, und zwar deswegen nicht, weil es noch vollkommen ungewiss war, wo man hinkommt. Und die Mama wollte nicht Möbel mitnehmen und sie dann irgendwo in einem Lager lagern. Wir haben nur mit dem Onkel vereinbart, wenn wir uns melden, dann schickt er das sofort. Dann sind wir zuerst die Woche in Innsbruck gewesen, dann waren wir in Schwaz ebenfalls in einem Gasthof, bis wir eine Wohnung gekriegt haben. Da haben wir zwei Bekannte gehabt, davon eine Weingroßhandlung in Jenbach. Die haben uns angeboten, sie würden uns Möbel leihen in der Zwischenzeit, weil es waren gute Bekannte. Das wollte aber die Mama nicht. Mit dem Möbeltransport ist das dann aber schnell gegangen. Ich selbst hab nur Bücher mitgenommen in so einer Art Schultasche. Die Bücher, das waren die Schutzengel-Hefte. Und dann ein Buch, das mir meine Tante geschickt hat: „Es wird heilige Kinder geben“.