Georg Dignös (Generationen)

Jg. 1935, Optant

Ich hab Erinnerungen indirekt dadurch, dass ich dann in Penon war bei einem Ehepaar, einem bäuerlichen, das keine Kinder hatte. Das war genau genommen die Schwester der Stiefmutter meiner Mutter – Nachdem der Vater 1940 ausgewandert war, waren wir drei Kinder nicht alle zusammen bei der Mutter, nur eine Tochter. Die Mutter war in Kardaun bei sehr gut bekannten Bauern und die ältere Schwester war bei – beim Bruder der Mutter in Gries, genauer genommen bei seiner Frau, der Tante Rosa, und ich war in Penon, bei diesem kinderlosen Ehepaar. Ich sag kinderlos, weil die mich gern behalten hätten. Und es war tatsächlich so, dass am Schluss, als dann die Mutter endlich nachgezogen ist mit uns drei Kindern, war vorher, das weiß ich aus den Briefen, die ich gefunden habe – hatte meine Mutter zunächst mal die Absicht, mich drin zu lassen. Weil die Tota [Patin], wie wir sie genannt haben, sich drauf eingestellt hat, mich zu behalten und dass ich dann der Hoferbe werd. Der Vater war dagegen und hat die Mutter auch brieflich noch best.. bedrängt, dass sie mich doch mitnimmt. Auch das hat mich gewundert, so zu lesen, weil er ja eigentlich schon die übliche patriarchalische Haltung der Südtiroler Ehemänner oder Haushaltsvorstände einge- eingenommen hat, normalerweise. Aber er hat hier kein Machtwort gesprochen, sondern er hat sich auf’s Bitten verlegt. Hat aber geholfen, die Mutter hat mich mitgenommen. Ich hab das natürlich, dieses Gezerre, nicht mitbekommen, ich weiß nur, dass die die Tota und ihr Mann, der Hansl, die haben also geheult, wie wir weg sind, das weiß ich noch.

[Ihr Vater ist 1940 nach München gegangen?] Ja, ja und da waren zwei Jahre, fast zwei Jahre, dass der Vater drauf gewartet hat, bis seine Frau mit den Kindern nachkam. Es war auch ein Hin und Her. Die Mutter hat auch verschiedene Gründe gehabt, dass sie sehr gezögert hat. Erstens war sie stark mit ihrer Heimat verbunden, zweitens aber hat sie ihren Lehrerberuf sehr geliebt und wollte das nicht einfach schnell wieder aufgeben. Und der Vater hat zuerst einmal schon nicht verlangen können, dass sie nachkommt, weil ja da noch keine Wohnung war. Er hat sich beruflich erst gesettelt und hat dann eine Wohnung gefunden; von Wohnungen ist gelegentlich die Rede in den Briefen, die Mutter schreibt, lass dir nur Zeit mit die Wohnungen – mit der Wohnung, jetzt muss erst einmal alles geregelt werden hier herinnen, sie hat noch viel zu regeln. Es war tatsächlich etwas zu regeln, nämlich, er war ja Rechtsanwalt gewesen, und da gab es, das war schwierig. Der Vater hat sich zum Beispiel mit Italienern eingelassen aus Mailand und hat mit denen ein Spar- nein ein Krankenkassenprojekt entwickelt, entwickeln wollen. Eine private Krankenkasse wollten sie gründen und das ist gründlich schief gegangen, diese Leute haben sich als Windbeutel erwiesen. [Der Vater, wenn er auf dieses Thema zu sprechen kommt in den Briefen, wird er also fuchsteufelswild. …] Dabei hat er aber Schulden gemacht auch, es waren Schulden da. Es waren auch Außenstände da. […] Und das waren die Dinge, die meine Mutter zu regeln hatte. Die Mutter hat dann Geld verdient auch als Lehrerin, konnte damit sozusagen uns Kinder über Wasser halten, denn wir waren zwar woanders untergebracht, ich und meine ältere Schwester, aber dafür hat sie schon bezahlt, als Pension sozusagen. Und der Vater hat in München dann Geld verdient und konnte einiges überweisen. So dass dann diese diese Schuldengeschichten allmählich geregelt waren. Und dann hat die Mutter trotzdem immer noch nach Möglichkeiten gesucht, das Dableiben zu rechtfertigen, aber im August 42, also knapp zwei Jahre nach dem Auswandern des Vaters ist sie dann raus. Und seitdem sind wir in München.