Walter Silbernagl (Propaganda)

Jg. 1923, Optant, nicht ausgewandert

‘35 war das noch ganz anders, da hat man gar nicht gedacht, dass da jetzt etwas anderes kommen könnt. Man hat wohl von Hitler geredet, der ist ‘33er draußen dann der Chef geworden. Da hat man vom ‚Tausendjährigen Reich‘, dem Deutschem Reich, gehört und auch der Italiener, ‚l’imperatore‘ – sie haben alle vom tausendjährigen ‚impero‘ geredet, auf Italienisch. […] Da waren dann viele, die begeistert waren, selbstverständlich, überhaupt für Deutschland, gelt? Dann, die Option 1939 – da waren dann verschiedene, die richtig fanatisch waren. Alle, die deutsch optiert haben, hat es geheißen, die kriegen draußen, in Deutschland da schönere, sagen wir, Anwesen, als sie hier haben: Den schöneren Hof, das schönere Anwesen. ‘39, da hat sich da die ADO gebildet, die Arbeitsgemeinschaft der Optanten. Die haben dort drüben ein Büro gehabt. Den ganzen Stock, da vis a vis, da wo jetzt der Schuster drin ist. Das Haus hat auch uns gehört. Das haben sie von uns gemietet. Das Büro und die Angestellten da, die haben den Auftrag gehabt, die Menschen aufzuklären. Es ist immer nur Propaganda gemacht worden, wie das draußen gut geht und so weiter. Da waren im Ort selbst und in den Fraktionen draußen, waren überall so Anhänger von dem. Die haben da angefangen, Propaganda zu machen, aufzuklären und halt meistens haben sie nur geschaut, dass sie zum Zug kommen. Weil sie gedacht haben – ‘39, da hat ja der Krieg auch angefangen –, da haben sie ja, als sie optiert gehabt haben, sind sie vom italienischen Heer weg … ins deutsche über[gestellt worden]. Jetzt wenn so ein deutscher Soldat mit der deutschen Uniform da gekommen ist, mein Lieber – das war was. Hat man schon gesagt: ‚Heute gehört und Deutschland und morgen die ganze Welt!‘ Dann haben wir müssen anfangen Hitlerlieder zu singen. Ich war damals 16 Jahre. Das hab ich alles noch so ein bisschen im Kopf. Mein Vater, der war eben ein alter Kaiserjäger. Der hat gesehen, wie es mit dem Weltkrieg gegangen ist, der war da skeptisch. Der hat lange,… lang hat er überlegt. Da war noch eine Spannung im Dorf. Der eine: ‚Ja du! Hast du nicht mal gewählt?! Schämst dich nicht?‘ Den haben sie ja zusammengeschimpft am Platz oben und er hat gesagt: ‚Ja, ich kann nicht italienisch wählen, weil ich bin kein Italiener, ich bin ein Österreicher!‘ Aber, er war immer da beim Militär. Aber er hat gesagt: „Ich will von da nicht weg!‘. Aber das haben sie ihn so viel gedrängt und bis er dann einmal unterschrieben hat.

[…] Dann haben sie von der ADO aus angefangen überall, die Wälder auszumessen, die Gebäude auszumessen. Sagen wir im Wald, da sind die eigenen Leute gewesen, die sind rein, die haben jeden Baum abgemessen. Dann haben sie so ein X angekratzt auf den ganzen Bäumen und haben den Wald geschätzt. Da sind sie gekommen, kann ich mich erinnern, haben sie auch das Haus abgemessen und die Fenster und mein Vater hat dann gesagt: ,Messen könnt ihr, was ihr wollt, aber unterschreiben‘, hat er gesagt, ‚tu ich nirgends!‘ Der hat nie unterschrieben. Der hat zu mir gesagt: ‚Schau!‘, hat er gesagt, ‚Du musst dir merken, die, die heute da weg gehen, die kriegen draußen irgendwo einen Hof und zwar sehr oft in einem besetzten Gebiet. Die‘, hat er gesagt, ‚wenn der Krieg fertig ist – weil den Krieg‘, hat er gesagt, ‚gewinnen wir nicht –, wenn der Krieg fertig ist, müssen die schauen, dass sie wieder mit dem Hemd davonkommen. Es war auch so.

[…] Und die andern, die haben halt müssen, mit den brauen Kappen auf, den Faschistenkappen, auf dem Dorfplatz [stramm stehen]. Die großen, die Metzger von Seis, die sind dann reingekommen, so Kaufleute mit die Kappen auf. Mein Vater ist nie hinauf gegangen, der ist nicht rauf. Dann haben sie ihm acht Tage das Geschäft gesperrt, weil er nicht erschienen ist. Aber er hat sich dann entschuldigt. Er hat gesagt, er hat acht Kinder daheim, er muss arbeiten. Da sind sie schon ein bisschen kulant gewesen. Da hat er nicht mehr gebraucht rauszugehen, auf den Platz.

[…] Aber da bei der Option, da ist dann etwas passiert. Da haben die Fanatiker und die anderen, die da noch mitgelaufen sind, immer so Versammlungen gemacht. Und zwar beim Schulmeisterhof draußen. Was sie da geredet haben, weiß ich nicht, da war ich nie dabei. Selbstverständlich hat das die anderen irritiert, weil gewusst haben sie schon, dass die die Versammlungen machen, die Leute von da. Jetzt sind auf einmal in der Früh, sind da auf den Häusern überall Hakenkreuze oben gewesen. Schwarze. Jetzt ist eine Razzia geworden, jetzt haben sie da ein paar [fest]genommen und haben sie raus in die Kaserne. Rizin, das haben sie ihnen zu trinken gegeben und vielleicht – ich weiß es nicht, ich bin ja nicht dabei gewesen, aber man hat gesagt –, sie haben sie auch geschlagen. Als Gegenreaktion – aber sein tut das alles nur von einer Seite aus manipuliert gewesen –, ein paar Tage drauf, wieder mit so einer schwarzen Farbe, sind Totenköpfe raufgemalt gewesen auf die Häuser: ‚Chi tocca il duce, pericolo di morte! Brennero, il confine del Brennero!“ Und alles so einen Teufel[szeugs] haben sie wieder draufgeschrieben – überall da auf die Häuser. Meiner Ansicht nach haben das auch die, die Hakenkreuze auch raufgemacht haben, getan. Weil da haben sie dann einen, so einen Beamten, den haben sie dann immer den Tuifelemoler geheißen. […] Die haben schon gewusst, wer das gemacht hat. ‘39 haben sie dann auch 39 [38] von denen, die da verraten worden sind ausgewiesen. Ja, die sind dann ausgewiesen worden. Die haben sie dann geholt und weg mit ihnen.