Johann Weissenegger (31.12.1939)

Jg. 1933, Dableiber

Bis zwei Stunden hat eine Messe früher manchmal gedauert. Bis zehn vielleicht, ich weiß nicht. Dann ist er da gekommen und hat sich mit meinem Vater und noch ein paar – drei, vier oder fünf, sechs, die auch nicht wussten, was sie tun sollten –, zusammengetan und die haben das dann abgeredet und sind dann zum Entschluss gekommen, sie wählen ‚walsch‘, also sie wählen für da. […] Dann sind sie eine Weile gestanden auf dem Dorfplatz, und dann sind sie beim Altersheim hineingegangen – Spital, hat es geheißen, da ist die Gemeinde drinnen gewesen, weil das Gemeindehaus ist baufällig gewesen und das Schulhaus, da hat man nicht mehr reingehen dürfen. Die Nazis haben das dann beobachtet und die sind sogar dann auf den Turm hinaufgestiegen und vom Turm aus beobachtet, wo sie hingehen, die Gruppe. Dann haben sie sie gesehen zum Spital hingehen. Die [anderen] haben sich dann drüben auch umgeschaut und haben gesehen, dass sie vom Turm aus beobachtet werden. Die haben schon gespürt, dass da schon irgendwie ein bisschen eine Stimmung drin ist. Dann hat mein Vater umgewählt. Der hat ‚daitsch‘ gewählt gehabt, dann hat er umgewählt. Die anderen haben dann ‚walsch‘ gewählt. Das ist ein bisschen eine mutige Entscheidung gewesen von meinem Vater. Zuerst ist er ja Propagandamann gewesen, hat deutsch gewählt. Das kommt dann sozusagen einem Verrat gleich, praktisch, nicht? Weil, das hätten die anderen nachahmen können, oder überdenken, dass da andere anders denken, als nur ‚aussi‘ [hinaus].

[…] Da ist der Vater dann mit seinem Ahnenpass gekommen, hat ihn auseinander getan, ich bin neben ihm [gestanden]. Der Ofen hat schön gebrannt, … hat,… hat er den Ahnenpass genommen und hat ihn ins Feuer hineingeschmissen. Das hätte er ja nicht müssen, aber er hat sich wollen von dem Hakenkreuz, das da draufgewesen ist – auf dem Ahnenpass ist ja das Hakenkreuz draufgewesen –, l[ösen?]. Und dann ist halt das Drama losgegangen. Und zwar: Am Sonntag darauf, das ist ja auch, glaub ich, ein Sonntag gewesen, der letzte Dezembertag muss ein Sonntag gewesen sein, weil mein Onkel ist ja in ‚Oacha‘ [Völser Aicha] hineingegangen in die Kirche. Wenn es ein Werktag gewesen wäre, wäre er nicht hinein. Ich bin da sechs Jahre alt gewesen; schon mit fünf Jahren oft, hat mich der Vater zur Kirche mitgenommen. Am Sonntag darauf bin ich mit dem Vater hinauf [nach Völs] ‚kirchen‘ [zur Kirche] und bin neben ihm im Stuhl gewesen. Nach dem Kirchen sind wir auf den Platz hinausgegangen, auf den Kirchplatz und dann … sind wir zwei alleine da gestanden. Das hat den Vater fast umgebracht, das hab ich gespürt. Die Leute sind alle weit ‚um ihn ausgestellt‘ [haben einen Bogen gemacht], alle! … Kein Mensch! Zuerst ist er immer inmitten der Leute drinnen[gewesen], hat geredet und so weiter. Und jetzt auf einmal – kein Mensch mehr! Die haben alle weggeschaut und sind darunter weggegangen. Nur wir zwei: Fünf Meter links und rechts ist niemand gestanden. Und das ist dann am nächsten Sonntag darauf gleich gewesen. Das ist dann schlimm geworden.

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